Metaverse: Zwischen Hype und Geschäftsmodell
Von vielen unbemerkt gewinnt das Metaverse an wirtschaftlicher Bedeutung. Aber es herrscht auch große Unsicherheit, wohin die Reise gehen wird und welche digitalen Geschäftsmodelle letzten Endes tragfähig sind. Jedenfalls kommen virtuelle Welten bei der auf dem Markt umworbenen Generation Z besonders gut an. Eine Bestandsaufnahme.
Das Metaverse, also das „Internet, in das man eintauchen kann“, um sich in einer zusammenhängenden virtuellen Welt zu bewegen, zu arbeiten, einzukaufen und Freizeitaktivitäten nachzugehen, befindet sich alles in allem noch in einem frühen Stadium. Laut Gartner ist es für Unternehmen noch nicht angezeigt, umfangreich in ein bestimmtes Metaverse zu investieren. Ratsam ist es jedoch, sich damit zu beschäftigen (auch mit den Risiken), Ideen für digitale Geschäftsstrategien zusammenzutragen, und vielleicht erste Erfahrungen zu sammeln – hierzu könnte sich der Recruiting-Bereich anbieten, oder auch die berufliche Zusammenarbeit oder Weiterbildung. Auch wer prüfend, bilanzierend oder beratend mit innovativen Unternehmen zu tun hat, sollte sich auf die neuen digitalen Geschäftsmodelle einstellen.
Die große Unbekannte
Das Metaverse oder Metaversum ist eine große Unbekannte: 75 Prozent der Deutschen haben noch nie von ihm gehört, wie der Branchenverband bitkom ermittelt hat. Am kürzesten lässt sich das Metaverse beschreiben als Verschmelzung von physischer und virtueller Welt. Um in diese einzutauchen, sind geeignete Geräte und Technologien nötig: Im idealen Metaverse, wie es sich die Entwickler vorstellen, bewegen sich die Nutzer mit einer Virtual-Reality-Brille (VR-Brille) und Handschuhen für das haptische Erlebnis.
Interoperabilität und virtuelles Eigentum
Interoperabilität ist das Zauberwort. Menschen gleiten mit ihren Avataren von einer virtuellen Welt in die nächste und alles ist miteinander verbunden: Geschäfte und Spiele, Co-Working, Musik, Wissen, soziale Netzwerke. Aber es gibt auch eine finanzielle Komponente: Mit Blockchain-basierten Währungen können digitale Gegenstände erworben, weiterverkauft und künftig in anderen virtuellen Welten genutzt werden. Das Eigentum der digitalen Welt – in der eigentlich alles beliebig vervielfältigt werden kann – ist bereits erfunden: Mit so genannten NFTs, Non-Fungible Token, existieren Vermögenswerte, die nicht austauschbar sind und die dank der Blockchain-Technologie mit ihren unveränderlichen Datensätzen eindeutig identifiziert werden können – gut geeignet für Menschen, die in der digitalen Welt etwas nachweisbar Seltenes oder Einzigartiges ihr Eigentum nennen und der virtuellen Community präsentieren wollen.
Diese Metaversen gibt es schon
Es gibt nicht ein, sondern viele Metaversen und daher gehört das Metaverse auch keinem einzelnen Anbieter – wenngleich der Konzern Facebook im Jahr 2021 mit seiner Umbenennung in Meta den Hype befeuert hat. Aber bereits im Jahr 2008 schuf „Second Life“ eine virtuelle Welt, in der sich zahlreiche Unternehmen tummelten und reale Umsätze tätigten. Weitere Beispiele aus heutiger Zeit sind Spiele wie Fortnite oder virtuelle Welten wie Decentraland, in denen zahlungskräftige Kund*innen Parzellen erwerben können. Unter anderem Luxus- und Modemarken sind dort tätig, verkaufen virtuelle Kleidung und veranstalten virtuelle Modenschauen.
Eine große Zukunft?
„Erlebnisse“ und „Identität“ sind die Schlüsselkompetenzen, aufgrund derer viele dem Metaverse eine große Zukunft vorhersagen. Gerade die digital aufgewachsene Generation Z spricht darauf besonders an: Sie hat bereits im Kindesalter virtuelle Welten spielerisch genutzt und definiert ihre Identität zunehmend digital. Hinzu kommt, dass die Rechnerleistungen und Technologien für Hardware, wie Brillen oder Wearables, Fortschritte machen und eine Immersion, also ein realistisches Eintauchen, ermöglichen. Doch auf dem Weg sind noch einige Hindernisse zu überwinden: Die VR-Brillen sind momentan noch recht klobig und auf die Dauer unbequem, fehlende technische Standards behindern die Abstimmung der einzelnen Plattformen untereinander, und auch die Bezahlung läuft angesichts unzähliger existierender Kryptowährungen nicht reibungslos.
Warum das Metaverse dennoch ernst zu nehmen ist: Hier eröffnet sich ein enormer Markt, auf dem nicht nur Hardware- und Software-Entwickler, sondern auch andere Unternehmen mit passenden Geschäftsmodellen viel Geld verdienen können. So rechnet das Marktforschungsunternehmen Gartner damit, dass bereits in vier Jahren 25% der Menschen mindestens eine Stunde pro Tag im Metaverse verbringen werden.
Geschäftsmodelle im Metaverse
Die verschiedenen Spielarten des Metaverse erlauben es Unternehmen, ihre digitalen Geschäftsmodelle zu erweitern, zu intensivieren und mit Zusatzangeboten anzureichern. Später könnten bis dato isolierte Umgebungen zusammenkommen.
Welche digitalen Geschäftsmodelle sind u.a. im Gespräch?
- Vermarktung physischer Produkte und Dienstleistungen mittels eines intensiveren Kundenerlebnisses, wobei auch mehr Daten über die Kunden gesammelt werden können,
- Behandlung und Prävention in der Medizin und Gesundheitsvorsorge,
- Virtuelle Events wie Konzerte oder Messen,
- Recruiting, Onboarding neuer Mitarbeiter*innen, Lernen und Weiterbildung,
- Hardware-Anwendungen, die für das Metaverse benötigt werden, Virtuelle Produkte,
- NFTs wie virtuelle Kunstwerke, Statussymbole und digitale Grundstücke,
- Interaktion über Avatare in sozialen Medien.
In eigener Sache sollte die Wirtschaftsprüferbranche beispielsweise neue Möglichkeiten zur Ansprache und Gewinnung von Nachwuchs im Blick behalten, aber auch für Business-Meetings und Beratungsgespräche könnten sich Potenziale auftun.
Offene Fragen
Unumstritten ist das Metaversum allerdings nicht. Viele Fragen sind offen, beispielsweise was Verhaltensregeln angeht, aber auch Datenschutz und IT-Sicherheit. Andere fragen sich, ob das Eintauchen in virtuelle Welten zur Verarmung sozialer Kontakte beiträgt und zur Flucht aus der Realität – wo doch angesichts von Klimawandel, Artensterben und geopolitischen Spannungen gewaltige Anstrengungen zu unternehmen sind, um die real existierende Welt als einen lebenswerten Ort für Menschen zu erhalten. Kritik entzündet sich in ökologischer Hinsicht am hohen Stromverbrauch der virtuellen Welten – andererseits mag das Metaverse zu einer Verringerung von CO2-intensiven Geschäftsreisen führen. Vielleicht werden wir in einigen Jahren auch im Metaverse Urlaub machen: Der Branchenverband Bitkom fand jüngst heraus, dass 21 Prozent der Deutschen davon ausgehen, dass im Jahr 2030 fremde Orte im Metaverse oder mit Virtual-Reality-Brillen erkundet werden, statt klassisch zu reisen – unter den Jüngeren (16 bis 29 Jahre) sind sogar 26 Prozent davon überzeugt.