Saldenbestätigungen sind wie eine Schachtel Pralinen - man weiß nie, was man (zurück)bekommt

Alternativen zum Postversand können Ressourcen sparen und so neben der Digitalisierung auch die Nachhaltigkeitsbilanz einer Wirtschaftsprüfungspraxis fördern. Das Portal “oscar” dient zur elektronischen Kommunikation und Abwicklung von Saldenbestätigungen zwischen Wirtschaftsprüfenden, Mandant*innen und externen Dritten. Ein praktisches Problem gab den Anstoß zu seiner Entwicklung.
Digitalisierung und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand, nicht nur in der WP-Praxis. Die von uns entwickelte Anwendung eignet sich für alle Wirtschaftsprüfer*innen, die Saldenbestätigungen anfordern wollen. Die Lösung kommt ohne Papier und Porto aus und spart viel Zeit auf Seiten des Wirtschaftsprüfers und des Mandanten. Der Prozess wird standardkonform abgewickelt und archiviert. Durch die browserbasierte Lösung kann der Zugriff einfach von überall erfolgen, ob vom Rechner oder vom iPad, z.B. unterwegs im Zug, unabhängig von der eingesetzten Prüfungssoftware.
Ausblick: oscar 2.0 mit weiteren Auswahlverfahren, einer Hochrechnung sowie einer Dokumentation der versandten E-Mails befindet sich in der Testphase und wird in Kürze live sein.
oscar befindet sich in Bewegung und macht Fortschritte. Sie hoffentlich auch. Denn Digitalisierung spart auch in einer WP-Kanzlei viele Ressourcen, die sinnvoller eingesetzt werden können. Probieren Sie es einfach aus.
Nachhaltigkeit in der WP-Praxis
Vor ca. zwei Jahren kam ich mittags in unser Sekretariat und da sah ich sie liegen: Stapel an Briefen an externe Dritte mit der Bitte, einen Saldo zu bestätigen. Es hatte bereits beim Mandanten einige Zeit in Anspruch genommen, bis alle 120 Anschreiben erstellt waren. Auf Briefe an ausländische Geschäftspartner hatte ich ohnehin verzichtet, da die Post zu viel Zeit benötigt und man nie weiß, ob der Brief zustellbar ist und man eine Antwort (zurück)bekommt.
Zur selben Zeit fassten wir den Entschluss, uns als umweltbewusster Betrieb zertifizieren zu lassen. Mit Hilfe eines Beraters, der unsere Nachhaltigkeitssituation analysieren sollte, wollten wir die Zertifizierung schaffen. Wie sollte ich ihm diese Papierstapel erklären?
Nachhaltig? Ressourcenschonend? Digital? Davon waren wir meilenweit entfernt. Also blieb nur ein Weg: Besserung geloben.
Die erfolglose Suche nach einer Lösung
So machte ich mich auf die Suche nach Alternativen zum Postversand. Ich wollte eine einfache und trotzdem sichere Lösung zur Auswahl der anzuschreibenden Dritten, die folgende Kriterien erfüllt:
- ohne Papier und Porto
- in Kooperation mit dem Mandanten (damit dieser über den Stand der Prüfung Bescheid weiß)
- alles an einem Ort
- entsprechend den für die Abschlussprüfung geltenden Prüfungsstandards
- zum erschwinglichen Preis, unabhängig von der Anzahl der Saldenbestätigungen
- ohne Schulung und Installation
- unabhängig von der eingesetzten Prüfungssoftware
Am Markt fand ich nichts, was diese Kriterien für mich zufriedenstellend erfüllte. Die Angebote waren entweder zu teuer, zu kompliziert oder nur halb digital. Eine Kooperation mit Mandanten war nicht vorgesehen, der Rücklauf erfolgte in unterschiedlicher Art und Weise, oder das Produkt war nur nutzbar für eine bestimmte Prüfersoftware.
Also doch kein Weg zu einer umweltbewussten Praxis? Sollte die gesamte bis dahin für eine Zertifizierung geleistete Arbeit umsonst gewesen sein, weil wir den Papierverbrauch nicht würden senken können?
Die Idee und ihre Umsetzung
Digitalisierung beginnt im Kopf. Also strengten wir diesen an und beschlossen, es einfach selbst besser zu machen. Anfangs sollte “nur” ein Portal entstehen, mit dem wir mit dem Mandanten kommunizieren und diejenigen Dritten auswählen und anschreiben, z, die einem Saldo zustimmen oder widersprechen sollen.
Aus dieser Idee wurde “oscar” entwickelt.
Über dieses Portal treten die drei beteiligten Personengruppen in ihren jeweiligen Rollen (Wirtschaftsprüfer, Mandant und bestätigender Dritter) miteinander in Kontakt.
Als Wirtschaftsprüfer lege ich zunächst einen Mandanten an. Dieser erhält einen Link, um sein Konto einzurichten, und lädt die Saldenlisten hoch. Mit diesen Informationen kann ich bereits mit Hilfe des Monetary-Unit-Samplings die zu bestätigenden Salden Dritter auswählen.

Elektronische Saldenbestätigung
Wenn ich mit dem Ergebnis der Auswahl einverstanden bin, wird diese elektronisch an den Mandanten übertragen. Er hat nun die Aufgabe, die E-Mail-Adressen zu vervollständigen sowie ein Anschreiben als pdf beizufügen, das dem Adressaten erklärt, wer ich bin, und ihn bittet, sich im Portal einzuloggen und den Saldo zu bestätigen oder abzulehnen. Diese Informationen werden wiederum mir übermittelt. Ich kann nochmal kontrollieren, ob die richtigen Dokumente an den richtigen Adressaten gesendet werden, und verschicke die E-Mail selbst. Die E-Mail kann bei Bedarf ein zweites oder drittes Mal verschickt werden, das wird jeweils dokumentiert.
Der Kunde bzw. Lieferant im Beispiel unten hat den Saldo elektronisch bestätigt. Der Status ändert sich dann auf „Agreed“.
Der Mandant kann den Status mitverfolgen. So sieht er sofort, wo es ggf. „hakt“ und wer noch keine Antwort geschickt hat. So kann er erneut den Kontakt aufnehmen und eine Antwort erbitten.
Lädt der Kunde oder Lieferant seinerseits Dokumente hoch, können diese zunächst nur von mir als Wirtschaftsprüfer*in und nach Freigabe auch vom Mandanten eingesehen werden.
Nach Abschluss dieser Aktion kann ich alle Dateien und Informationen in einem Zip-file archivieren, herunterladen und in meiner eigenen Prüfungssoftware ablegen.
Damit war unser Ziel erreicht: Der Prozess war digitalisiert und wir erhielten unsere Zertifizierung als nachhaltige Wirtschaftsprüfungspraxis. Eigentlich hätten wir uns dann zurücklehnen können.

Öffnung für andere
Doch ich sagte mir: Wenn ich eine Lösung suchte, könnte es sein, dass andere Wirtschaftsprüfer*innen dasselbe Problem haben. So entschieden wir uns, die eigentlich nur für den eigenen Gebrauch entwickelte Lösung an den Markt zu bringen.
Seitdem haben wir vor allem durch das Feedback von Nutzer*innen, weitere Erkenntnisse gewonnen, wie das Portal weiter verbessert werden könnte. Geäußert wurde insbesondere der Wunsch
- nach weiteren Auswahlverfahren (bewusste und Zufallsauswahl) sowie
- nach einem Prozess, der es Wirtschaftsprüfer*innen ermöglicht, das Prüffeld komplett digital zu bearbeiten, insbesondere also der Wunsch nach einer Hochrechnung der Ergebnisse aus dem Monetary Unit Sampling als letztem Schritt.
