Digitale Prozessanalysen in der Jahresabschlussprüfung nutzen

Neue Verfahren zur Datenanalyse für den Einsatz in der Abschlussprüfung sind im Laufe der letzten Jahre auf den Markt gekommen. Process Mining stellt dabei ein vielversprechendes Verfahren mit Möglichkeiten zur Qualitäts- und Effizienzsteigerung dar. Doch was steckt wirklich dahinter? Sind Qualitäts- und Effizienzgewinne mit diesem Verfahren tatsächlich realisierbar? Wie lässt sich Process Mining überhaupt im Rahmen einer Abschlussprüfung einsetzen? Und wo liegen die Hürden? Wir haben den Versuch gewagt, eine eigenständige Process Mining Lösung zu entwickeln und diese im Rahmen der Jahresabschlussprüfung einzusetzen. In diesem Blogbeitrag teile ich unsere Erfahrungen, versuche die gängigsten Fragen zu diesem Thema zu klären und etwas Licht ins Dunkel dieses, doch noch jungen, Verfahrens zu bringen.
Digitale Prozessanalysen wie Process Mining Tools (z.B. AIM) machen die Jahresabschlussprüfung effizienter, wenn Unternehmensprozesse standardisiert sind und der Abschlussprüfer den richtigen Fokus setzt. Die wichtigsten Kriterien bei der Wahl eines Tools zur Nutzung in der Jahresabschlussprüfung sind: Kann es den Großteil der Datenbeschaffung und Visualisierung automatisiert durchführen, ist es leicht bedienbar und kann es das Ergebnis optisch ansprechend zur Verfügung stellen?
Bei niedrigem Aufwand in der Datenbeschaffung und Visualisierung kann sich der Prüfer auf seine Kernkompetenz fokussieren – das Prüfen.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um Process Mining in der Jahresabschlussprüfung nutzen zu können?
Das Ziel der Jahresabschlussprüfung ist es, die geforderte Prüfungssicherheit möglichst wirtschaftlich, also durch den Einsatz geeigneter moderner Methoden und Verfahren, unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung („GoA“) zu erreichen.
Der Fokus beim Einsatz neuer Verfahren, zu denen Process Mining aktuell noch zählt, liegt auf dem Verhältnis zwischen der gewonnenen Prüfungssicherheit und dem damit einhergehenden Aufwand („Kosten-Nutzen-Verhältnis“). Um die notwendige Wirtschaftlichkeit beizubehalten, ist es daher erforderlich möglichst standardisierte Verfahren auf bereits bekannte Datenstrukturen anzuwenden. Nur dann lassen sich Datenanalysen effektiv und effizient durchführen.
Diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn auf Mandantenseite standardisierte ERP-Systeme zum Einsatz kommen (insbesondere SAP), auf die Prüfer, mit standardisierten Datenverarbeitungs- und Datenausgabemethoden aufsetzen können. Sind Datenstrukturen nicht standardisiert, müssen diese beim Process Mining individuell weiterverarbeitet werden. Dies führt in den meisten Fällen zur Verfehlung des o. g. Aspekts der Wirtschaftlichkeit.
Zudem hat sich der Abschlussprüfer bei der Verwendung solcher Verfahren davon zu überzeugen, dass die analysierten Daten des Mandanten vollständig und mit denen im IT-System des Mandanten identisch sind, um sicherzustellen, dass der Prüfungsgegenstand zutreffend abgegrenzt ist.
In welchen Prüfungsphasen kann Process Mining am sinnvollsten eingesetzt werden?
Im Kern stellt Process Mining historische, im ERP-System stattgefundene, Geschäftsprozesse visuell dar. Diese sog. Ist-Prozesse können auf Abweichungen zu vorher definierten Soll-Prozessen untersucht werden, sowie auf Prozessbrüche und auf weitere Auffälligkeiten.
Dieses Verfahren eignet sich insbesondere bei der Prozessaufnahme im Rahmen der Vorprüfung. Indem es die Ist-Prozesse im ERP System visualisiert und analysiert, lassen sich tiefgreifende Erkenntnisse über den Prozess im Allgemeinen, seine Schwächen sowie über die bestehenden Kontrollen gewinnen.
Wie wirkt sich Process Mining auf die Prüfungsqualität der Prüfung aus?
Wie bereits beschrieben ermöglicht Process Mining einen tiefen Einblick in die Unternehmensrealität, vor allem in die darin gelebten Geschäftsprozesse.
Die Wahrscheinlichkeit, Unregelmäßigkeiten (durch Fehler oder Fraud) aufzudecken, kann unter Nutzung von Process Mining, insbesondere bei Transaktionen, die einer hoch automatisierten Verarbeitung mit wenigen bzw. keinen manuellen Eingriffen unterliegen und für die Prüfungsnachweise nur in elektronischer Form erlangt werden können, höher als bei der klassischen (stichprobenorientierten) Herangehensweise sein, da auf Basis des gesamten Datenbestands geprüft werden kann.
Zudem kann die Funktion von Kontrollen für einzelne Geschäftsvorfälle sichtbar gemacht werden und einen Hinweis darauf geben, ob festgelegte Kontrollen wirklich durchgeführt werden oder nicht.
Ein konkretes Beispiel: Bei Beschaffungen über 5.000,00 € ist systemseitig eine Freigabe durch den Vorgesetzten einzuholen. Ohne diese Vorgabe sollte keine Bestellung an den Lieferanten generiert werden können. Mit Hilfe von Process Mining kann man alle Geschäftsvorfälle ohne Freigabe selektieren und diese auf möglicherweise überschrittene Wertgrenzen überprüfen.

Wie wirkt sich Process Mining auf die Effizienz der Prüfung aus?
Korrekt und zielgerichtet angewendet kann sich Process Mining positiv auf die Prüfungseffizienz auswirken. Bei Systemen mit verschiedenen Prozessvarianten liegt der Schlüssel zu Effizienz aber in der richtigen Auswahl prüfungsrelevanter Geschäftsvorfälle.
Wichtig ist hierbei, sich auf die am häufigsten durchlaufenen Prozessvarianten zu fokussieren. So erhalten Sie eine möglichst hohe Abdeckung der im System gelebten Prozesse, ohne zu viele Geschäftsvorfälle analysieren zu müssen.
Die häufig durchlaufenen Prozessvarianten sollten dabei im Detail durch Walkthroughs und weitergehende Analysen verplausibilisiert werden. Die übrig gebliebenen Prozessvarianten, in denen sich ggf. auch noch wesentliche Risiken befinden können, analysieren Sie nicht im Detail, sondern bilden am Ende die Grundgesamtheit einer Stichprobe. So vermeiden Sie eine zu große Zahl möglicher Stichproben bzw. reduzieren Sie die Stichprobengröße und damit den Prüfaufwand.
Wo stößt Process Mining in der Prüfung an seine Grenzen?
Sind Prozesse in einem Unternehmen nicht standardisiert, existiert oft eine hohe Zahl unterschiedlicher Prozessvarianten, was sich i. d. R. negativ auf die Prüfungseffizienz auswirkt (es sei denn, der Fokus wird richtig gesetzt). Gleiches gilt für Prozesse, welche nicht oder nur teilweise systemseitig erfolgen. Etwaige Prozessbrüche müssen dabei – zusätzlich zur Anwendung von Process Mining - "analog" geprüft werden.
Der effiziente Einsatz von Datenanalysetechniken im Allgemeinen und Process Mining im Besonderen erfordert zudem bestmöglich standardisierte und automatisierte Techniken zur Datenbeschaffung und -Aufbereitung. Außerdem braucht es leicht zu bedienende und ansprechende Tools, um Abschlussprüfern einen möglichst unkomplizierten Einstieg in die neue Prüfungstechnik zu ermöglichen.
Zu beachten ist auch, dass trotz immer fortschrittlicherer Technik stets zwingend die Erfahrung und das Know-How eines Abschlussprüfers erforderlich sind. Moderne Verfahren der Datenanalyse – zu denen auch Process Mining zählt – dienen dabei als Werkzeuge, welche die Arbeit des Prüfers erleichtern und zu einer höheren Prüfungsqualität und -effizienz führen können.
