Die Grundsteuerreform in der Praxis umsetzen
Mit der Erstellung der Feststellungserklärungen für mehr als 35 Millionen Grundstücke in Deutschland kommt auf die Berater*innen neue Arbeit zu. Neben dem Wissensaufbau zur Umsetzung und fachlichen Beurteilung der Fälle stellt sich darüber hinaus die Frage, wie dieses „Massenthema“ schnell und effizient in der Kanzlei umgesetzt werden kann – zumal Praxiserfahrungen bis dato rar sind.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Grundsteuerreform zu bewältigen ist. Was die Bearbeitung allerdings erschwert ist die Tatsache, dass der gesamte technische Prozess seitens der Finanzverwaltung nicht fertig umgesetzt ist: Die Datenübertragung wird mittels der ELSTER-Schnittstelle erfolgen, welche noch immer Änderungen unterworfen ist. Die Formulare der Landesmodelle sind nicht komplett verfügbar. Die Bodenrichtwerte zum Stichtag 1. Januar 2022 sind nur in geringem Umfang veröffentlicht und abrufbar. Da die Übermittlung der Feststellungserklärungen im Zeitfenster zwischen dem 1. Juli 2022 und dem 31. Oktober 2022 stattfinden soll, ist eine gute Vorbereitung wichtig und ein zeitnaher Start der Erfassung empfehlenswert.
Die Rechtslage
Eine kurze Zusammenfassung der Ausgangslage: Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 die bisherige Rechtslage der Bewertung von Grundstücken mit dem Einheitswert für verfassungswidrig erklärt hat, wurde mit dem Grundsteuer-Reformgesetz 2019 eine gesetzliche Neureglung geschaffen. Die Bundesländer haben die Möglichkeit erhalten – und in Teilen auch genutzt – mittels eigener Landesgesetze vom Bundesmodell abzuweichen. Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft wenden alle Länder (weitestgehend unverändert) das Bundesmodell an.
Umsetzung in der Kanzlei
Für die Umsetzung in der Kanzlei bedeutet dies, dass sowohl Berater*innen als auch Mitarbeiter*innen sich über das Bundesmodell informieren und – sofern relevant für Mandanten der Kanzlei bzw. regionaler Schwerpunkt der Kanzlei – auch mit den davon abweichenden Landesmodellen vertraut machen müssen. Denn schnell hört man von rechts und links, dass die Erfassung der Feststellungserklärung bei einzelnen Modellen sehr einfach sei. Beschäftigt sich die Kanzlei schließlich bei der Bearbeitung der ersten Fälle selbst damit, erkennt sie oft die Komplexität, die damit verbunden ist – zumindest bei der Entscheidungsfindung, wie der Fall einzuordnen ist. Sind auch Grundstücke in der Land- und Forstwirtschaft im Mandantenkreis vorhanden, kommt ein dritter Baustein zum Wissensaufbau hinzu.
- Die IDW Akademie bietet am 27.04.2022 ein Webinar zur Grundsteuerreform an, in dem die Steuerberaterin Teresa Gerke und ich im Detail auf die einzelnen Modelle eingehen.
Wie informiere ich die Mandanten
Da sowohl Städte und Gemeinden als auch die Finanzverwaltung die Eigentümer*innen von Grundstücken über die Grundsteuerreform informieren, ist es wichtig, dass auch Kanzleien ihre Mandanten informieren und ihre Unterstützung anbieten. Die Städte und Gemeinden weisen in ihren Schreiben die Eigentümer*innen häufig darauf hin, die Unterstützung von Steuerberater*innen in Anspruch zu nehmen.
Praxistipp 1: Bevor Sie Ihre Mandanten informieren, dass Sie sie in der Grundsteuerreform unterstützen, machen Sie sich Gedanken zur Abrechnung/zu Ihrem Preismodell. Eine der ersten Fragen der Mandanten wird diejenige nach den Kosten sein.
Die Erstellung der Feststellungserklärungen erlaubt aktuell die Abrechnung in drei Varianten:
- Gegenstandswert gem. StBVV, § 24 Absatz 1, Nr. 11
- nach tatsächlichem Zeitaufwand
- als Pauschalen, z. B. je Objektart
Im Bundesmodell wird ein Grundsteuerwert berechnet, der als Gegenstandswert für die Abrechnung verwendet werden kann. In bestimmten Ländermodellen wird dagegen kein Grundsteuerwert ermittelt. Der aktuelle Referentenentwurf einer Vierten Verordnung zur Änderung der Steuerberatervergütungsverordnung vom 4. März 2022 sieht daher vor, § 24 Abs. 1 StBVV um eine neue Nummer 11a zu ergänzen, welche die Berechnung eines fiktiven Grundsteuerwerts ermöglicht. Damit wird der Weg frei gemacht, Feststellungserklärungen für Grundstücke in vom Bundesmodell abweichenden Landesmodellen über einen Gegenstandswert abzurechnen.
Die richtige Vollmacht
Praxistipp 2: Holen Sie beim Mandanten eine Vollmacht ein. Bestehende Vollmachten des Mandanten umfassen in der Regel nicht die Befugnis, Daten zum Grundstück bei Ämtern einzusehen/anzufordern, die für die Erstellung der Feststellungserklärung benötigt werden.
Wenn Sie die Feststellungserklärung an die Finanzverwaltung versenden, zeigen Sie die Information über eine vorliegende Vollmacht an. Die Finanzverwaltung fordert keine Übermittlung der Vollmacht. Um die Feststellungserklärungen erstellen zu können, werden unter anderem Informationen aus dem Grundbuch benötigt. Liegen dem Mandanten diese Informationen nicht in einer aktuellen Fassung vor, können sie von der Kanzlei angefordert werden – vorausgesetzt, der Mandant hat hierfür eine Vollmacht erteilt. Wird darüber hinaus ein Dienstleister eingebunden, um diverse Unterlagen von unterschiedlichen Ämtern einzuholen, benötigt der Dienstleister sowohl eine Vollmacht des Mandanten gegenüber der Kanzlei als auch eine Vollmacht der Kanzlei, die es ihm erlaubt, für diese tätig zu sein.
Erfahrungen sammeln mit der Software
Praxistipp 3: Entscheiden Sie sich für eine Software zur Erstellung der Feststellungserklärungen und geben Sie die ersten Grundstücke ein, zum Beispiel diejenigen der Kanzlei oder diejenigen von Mitarbeiter*innen. Sie werden sehen, dass die Herausforderung nicht in der Erfassung der Daten liegt.
Vielmehr ist die Beschaffung der notwendigen Daten der aufwändigste Teil bei der Umsetzung der Vorgaben der neuen Grundsteuerreform. In vielen Fällen reichen die Informationen aus dem Einheitswertbescheid sowie aus dem Grundbuch, ergänzt um die Angaben der Wohn- und Nutzflächen oder der Bruttogrundflächen. Handelt es sich um eine Eigentumswohnung, ein Einfamilienhaus oder ein Geschäftsgrundstück, ist die Feststellungserklärung schnell erstellt. Aufwändiger gestaltet sich die Prüfung der Unterlagen bei gemischt genutzten Grundstücken oder Teileigentum. Aber Ihre Lernkurve wird steil ansteigen, je mehr Praxisfälle Sie bearbeiten und erfassen.